In einer zunehmend digitalen Welt sehen wir digitale Evangelisation als einen wichtigen Baustein christlicher Mission. Besonders für die Zielgruppe junger Menschen ist digitale Evangelisation hochrelevant, da das Digitale ganz selbstverständlich einen zentralen Stellenwert in ihrem Leben einnimmt. Einen besonderen Fokus sehen wir dabei derzeit auf social media und Plattformen wie tiktok, youTube, instagram und andere.

Unter Evangelisation verstehen wir eine Form der Kommunikation des Evangeliums, welche die vielfältige Botschaft des Evangeliums konkret und explizit in Worte fasst und verkündigt und dabei einen für den Glauben werbenden und einladenden Charakter hat. Wir schätzen sowohl digitale als auch analoge Formen der Evangelisation als Teil von Mission, zu der auch das soziale und diakonische Handeln und der Einsatz für eine gerechtere Welt gleichberechtigt gehören.
Während es im digitalen Raum bereits viele Wege und Akteur:innen digitaler Evangelisation gibt, fehlt es unserer Wahrnehmung nach jedoch an einer breiten und umfassenden theologischen Reflexion digitaler Evangelisation, zu der wir mit den folgenden Thesen einen Beitrag leisten wollen:

THESE 1

Ziel digitaler Evangelisation

Das Ziel jeder Form von Evangelisation ist es, die frohe Botschaft des Evangeliums attraktiv und zeitgemäß zu kommunizieren. Dabei sucht sie für den jeweiligen Kontext stimmige Wege. Digitale Evangelisation versucht daher Content mit Mehrwert zu generieren, der sich transparent als „christlich“ zu erkennen gibt und durch die Perspektive des Glaubens von anderen Inhalten abhebt. Dieser Content muss so kreiert sein, dass er orts-, zeit- und situationsunabhängig Sinn ergibt, da User:innen den Content in unterschiedlichen Situationen und zu unterschiedlichen Zeiten wahrnehmen werden . Digitale Evangelisation respektiert dabei das Maß an Anonymität, das User:innen auf den unterschiedlichen Plattformen selbstbestimmt wählen und ermöglicht es so auch, den Glaubensweg anonym zu gehen.

THESE 2

Zielgruppe digitaler Evangelisation

Die primäre Zielgruppe digitaler Evangelisation sind Menschen, die bisher wenig oder nichts mit dem christlichen Glauben zu tun haben. Auch im digitalen Raum ist diese Zielgruppe sehr unterschiedlich. Deshalb ist es auch für die digitale Evangelisation notwendig, konkrete Zielgruppen (Alter, Interessen, Milieus, Gewohnheiten, etc.) zu definieren und anzusprechen. Darüber hinaus gibt es bestimmte Zielgruppen, die ein besonderes Potenzial haben durch digitale Evangelisation erreicht zu werden. Dies sind vor allem Menschen, die eine besondere Affinität zu digitalen Medien und Kommunikation haben und potenziell viel Zeit damit verbringen. Digitale Evangelisation hat daher ein besonderes Potenzial, junge Menschen zu erreichen. Außerdem besteht eine besondere Chance, Menschen anzusprechen, die sich nicht zu analogen Formaten der Evangelisation aufgrund bestimmter Lebensumstände und Präferenzen einladen lassen würden (z. B. Menschen, die soziale Situationen meiden, in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder auch Menschen, die sich aufgrund von Ausgrenzungserfahrungen im Gruppensetting niemals öffnen würden). Insofern hat die digitale Evangelisation auch einen inklusiven Auftrag . Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation unserer Gesellschaft ist die Wichtigkeit digitaler Formate der Evangelisation für die Zukunft nicht zu unterschätzen und bedarf besonderer Aufmerksamkeit.

THESE 3

Wahrnehmen der Logiken digitaler Plattformen

Der Kontext, in dem Evangelisation auf digitalen Plattformen stattfindet, erfordert die verantwortungsvolle Wahrnehmung der jeweiligen spezifischen Logiken dieser Plattformen. Große Plattformen wie youTube, instagram oder tiktok verfolgen eigene Interessen, z. B. die Verbreitung von Werbeeinnahmen, und greifen durch Algorithmen aktiv in das Kommunikationsgeschehen auf der jeweiligen Plattform ein. Sie werden damit zu eigenständigen Playern im Evangelisationsgeschehen. Damit evangelistischer Content sichtbar wird und Verbreitung findet, muss in gewissem Maße diesem Interesse Rechnung getragen und gleichzeitig immer wieder ethisch reflektiert werden. Auch in der digitalen Evangelisation heiligt der Zweck nicht die Mittel. Daher braucht es einen konstruktiv-kritischen Umgang mit diesen jeweiligen Logiken und das Akzeptieren der Unverfügbarkeit digitaler Evangelisationsprozesse. Während Evangelisation in der geistlichen Dimension immer unverfügbar ist, kommt bei der digitalen Evangelisation noch eine technische Unverfügbarkeit oder zumindest eine eingeschränkte Verfügbarkeit hinzu.

THESE 4

Pluralität digitaler Evangelisation

Eine zentrale Eigenschaft digitaler Plattformen ist die Pluralität von Inhalten. Digitale Evangelisation sollte daher möglichst plural und so facettenreich sein wie das Evangelium selbst. Die Beanspruchung absoluter Wahrheiten im Kontext evangelistischer Inhalte steht im Widerspruch zur Grundausrichtung von social media, einem modernen, theologisch begründetem Menschenbild, das sich aus der Gottesebenbildlichkeit ableitet, sowie der Vielschichtigkeit es Evangelium selbst. Der Inhalt evangelistischer Inhalte sollte daher demütig als ein Zeugnis des Glaubens verstanden werden, ohne diesen für absolut zu erklären. Gleichzeitig sind Content-Creator:innen herausgefordert, ihren Content und die eigene Theologie einerseits authentisch zu kommunizieren und andererseits auch immer wieder theologisch zu reflektieren. Dies zeigt sich zum einen nach außen im wertschätzenden Umgang mit anderem Content, insbesondere solchem, der nicht die eigene Meinung widerspiegelt.

THESE 5

Resonanz bzgl. digitaler Evangelisation

Digitale Evangelisation zielt darauf ab, eine Resonanz auf dieses facettenreiche Evangelium und die Botschaft des Glaubens zu erzeugen. Sie möchte beim Gegenüber eine Reaktion auslösen, die wahrgenommen wird und das Potenzial hat, eine positive und lebensdienliche Veränderung herbeizuführen. Dies kann auf ganz unterschiedlichen Ebenen geschehen, von der eigenen Reflexion über die Offenheit für spirituelle Erfahrungen bis hin zur Konversion. Daher ist digitale Evangelisation nie reine Sachinformation, sondern immer absichtsvolles Handeln, das auf eine Reaktion hofft und deshalb direkt oder indirekt auch eine Einladung zur Reaktion ausspricht.

Damit dieses Veränderungspotenzial genutzt werden kann, liegt eine besondere Chance darin, gut durchdachte und stimmige „Call-to-Actions“, also aktive Reaktionsmöglichkeiten, in den digitalen Evangelisationsprozess zu integrieren.

THESE 6

Follow-Up Angebote

Digitale Evangelisation sollte sich bewusst sein, dass sie Teil eines umfassenden geistlichen Prozesses auf der Glaubensreise von Menschen ist und versteht sich als ein Bestandteil des gesamtchristlichen Auftrags von Mission und Nachfolge. Es bedarf daher eines Bewusstseins dafür, dass Menschen, die sich durch digitale Evangelisation ansprechen lassen, weitere Kontaktflächen und Begleitung benötigen, ohne dass dies immer von den Content Creator:innen evangelistischer Kommunikation geleistet und angeboten werden muss. Vielmehr bedarf es neben der Förderung digitaler Evangelisationsformate auch der Förderung digitaler oder analoger Follow-ups und Begleitangebote. Beides muss möglichst gut miteinander vernetzt sein.

Die Mitwirkenden

  • Johannes Nehlsen, Wertestarter
    @wertestarter
  • Florian Karcher, Institut für missionarische Jugendarbeit
    @cvjmhochschule
  • Anna-Lena Moselewski, Institut für missionarische Jugendarbeit
    @cvjmhochschule
  • Carina Daum, Institut für missionarische Jugendarbeit
    @cvjmhochschule
  • Lukas Lennert, Alpha Deutschland
    @alphadeutschland
  • Matthias Engelhardt, EC Deutschland
    @ecjugend
    @matze.engelhardt
  • Joachim Bär, ERF Deutschland
    @erf_sinnsender
  • Lukas Furch, The Chosen; Projekt Werke
    @furchensohn
  • Rose de Jesus, Allianz-Mission
    @rosedejesus
  • Kira Beer
    @kira_beer
  • Fabian Vogt, Midi
    @hallo_midi
  • Tim Gutenberger, UND Marburg
    @creatunity
    @timmelhimmel
  • Miachael Schacht
    @schachtnovelle
  • Christopher Schacht
    @life.lion.official
    @christopherschacht

Du willst mitmachen?

Was denkst du dazu? Hast du Erfahrung mit digitaler Glaubenskommunikation? Welche Gedanken hast du und woran haben wir vielleicht gar nicht gedacht? Genau das wollen wir mit dir diskutieren. Die Thesen sollen nicht das Ende, sondern den Anfang einer Diskussion sein und dazu anregen, dass alle, welchen das Thema ein Anliegen ist, daran gemeinsam weiterdenken können. Schreib uns deine Meinung über das Padlet.